Den Turbo einschalten und rumstinken


Eine weitere Methode, den Ameisen zu entgehen, ist einfach fixer zu sein. Mit besonderer Perfektion beherrschen dies die räuberischen Kurzflügler, deren verkürzte Flügeldecken und gestreckte Gestalt besonders wendige und schnelle Bewegungen zulassen. Die Arten sind darüberhinaus meist deutlich kleiner als die Wirtsameisen, so dass sie sich in Lücken und Spalten verkriechen können, in denen keine Ameise folgen kann. Als Beispiele seien hier die extrem seltene Euryusa sinuata, die bei Lasius brunneus lebt, und einige Bewohner von Formica-Nesthügeln abgebildet.



Euryusa sinuata



Auch diese Arten besitzen leichte morphologische Anpassungen, so Euryusa einen besonders breiten Halsschild, sodass der Käfer nicht an einer Einschnürung zwischen den Körpersegmenten gepackt werden kann und Nothotecta und Thiasophila dicht gedrängte Antennenglieder, so dass die Fühler nur schwer von Ameisen abgebissen werden können. Im Notfall beherrschen Kürzflügler aber auch die Abwehr mit chemischen Kampfstoffen. Kommt ein potentieller Angreifer zu nahe, wird der Hinterleib nach Skorpionsart nach vorne gebogen, so dass aus Abwehrdrüsen ätzende und stinkende Sekrete herausgespritzt werden können.






Was willst Du, ich bin auch eine Ameise!


Eine besonders interessante Gruppe sind die - so könnte man sie nennen - "sozial angepassten Milbenfresser". Gemeint sind die regelmäßig in Holznestern von Lasius brunneus vorkommenden Palpen- und Ameisenkäfer. Batrisus formicarius, Batrisodes-Arten und Scydmaenus perrisi konnten mehrere Monate in Gefangenschaft mit und ohne Ameisen in Nestsubstrat gehalten und beobachtet werden. Die Käfer zeigen keine auffälligen morphologischen Anpassungen an das Leben im Ameisennest, aber ein spezielles Verhalten. Bei Begegnung mit den etwa gleich großen Ameisen zeigten alle Käfer ein anderes Verhalten als gegenüber den Artgenossen. Sich bei Begegnungen berührende Käferkollegen bewegten sich weiter, während bei Fühlerberührung mit einer Ameise ruckhaft innegehalten wurde und erst nach Beendigung des Fühlerkontaktes das Weiterlaufen erfolgte. Die Fühler werden dabei nicht eingezogen, sondern der Ameise weiterhin "zum Kontakt angeboten". Die Ameise verhält sich dabei wie bei einer Begegnung mit einer anderen Arbeiterin. Menschlich ausgedrückt hieße das: Der Käfer passt sich dem Sozialverhalten der Ameisen an und wird von dieser nicht als Käfer erkannt, während dieser Ameisen als Ameisen und Artgenossen als Artgenossen erkennt und beide andere Käfer als andere Käfer erkennen, diese angreifen oder sich schützen.



Bei den im Ameisennest gehaltenen Exemplaren konnte beobachtet werden, dass sich die Palpenkäfer der Gattungen Batrisus und Batrisodes vornehmlich auf dem von den Ameisen angelegten Abfallhaufen aus toten Ameisen aufhielten, auf dem sich in sehr großer Zahl kleinste weiße, weichhäutige Milben fanden. Diese Milben bilden die Nahrung der Palpenkäfer. Die Ameisenkäfer stellen dagegen den gepanzerten Milben nach, Scydmaenus in diesem Fall der Schildkrötenmilbe Trichouropoda ovalis, die oft massenhaft in den Holznestern vorkommt. Von den Scydmaeniden weiß man, dass sie in ihrer Beuteerwerbstechnik speziell an bestimmte Milbentypen angepasst sind. Sie ergreifen die Milben, drehen sie auf den Rücken und schaben entweder Löcher in die Beutetiere oder schneiden nach dem Dosenöffnerprinzip (Scydmaenus) mit ihren Mandibeln auf der Körperunterseite der Milben besonders große Chitinteile an ihren Nahtstellen heraus.





Ist das alles - nur hässliche Entlein?


Wer im hohlen Baum lebt oder im finsteren Nesthügel, braucht sich nicht besonders zu schmücken. Formen müssen funktional sein, Farben spielen in der Dunkelheit keine Rolle. Für Käfer, die im Licht des Tages unterwegs sind, gelten oft andere Regeln, Tarn- oder Warnfarben sind angesagt. Die großen engerlingartigen Larven des gut gepanzerten Rosenkäfers Protaetia cuprea, dessen Verwandte sich in morschem Holz und Baumhöhlen entwickeln, leben in den feuchteren Randbereichen von Formica-Nesthügeln, wo sie sich von den verrottenden Holzteilen und Nadeln ernähren. Auf Sträuchern, deren Äste über Formica-Nesthügel ragen, sitzen manchmal nach Art der giftigen Marienkäfer gefärbte Blattkäfer aus der Gattung Clytra. Die Weibchen strecken den Hinterleib über das offene Ameisennest, halten ihre Eier mit den Hinterbeinen und hüllen sie drehend in ein schützendes Sekret, um sie anschließend auf das Nest fallen zu lassen. Die dort schlüpfenden Blattkäferlarven bauen sich eine Hülle aus eigenem Kot, der die ungepanzerten Körperteile tarnt und schützt. Diese Technik hat ihnen den auf den ersten Blick merkwürdigen Namen "Ameisensackkäfer" eingetragen.




© F. Köhler www.KOLEOPTEROLOGIE.de für http://www.AMEISENHALTUNG.de