Haltungsbericht Formica rufibarbis

  • Hallo Ameisenfreunde,

    Ohje...es lief alles so gut...soviele neue Arbeiterinnen...

    Aber jetzt scheint etwas schreckliches passiert zu sein. Ich fürchte sie haben die Gyne gefressen.



    ich vermute das ist ihre Gaster in dem roten Rahmen.


    Ich habe keine Ahnung was passiert ist. Ich hoffe immer noch irgendwie dass sie es nicht ist aber ich kann sie auch unter den Mengen an Arbeiterinnen im RG nicht finden.


    Vielleicht ist sie auch an irgendwas gestorben und sie haben das getan was man eben mit toten Insekten macht.


    Erkennbar etwas geändert hat sich aus meiner Sicht nicht. Bin völlig überrascht.


    Da die Königin direkt hier aus der Umgebung kam, besteht die Chance ggf. eine neuen Königin vom diesjährigen Schwarmflug einzusetzen oder wars das jetzt defnitiv?


    Ich habe gelesen dass die Kolonie durchaus noch "normal" einige Zeit weiterlebt und vorhandene Brut auch noch aufgezogen wird.


    Ich füttere etc. jetzt einfach normal weiter und sei es nur um zu sehen ob irgendetwas mit der Umgebung nicht stimmt. Das müsste ja dann alle betreffen.


    Alles in allem ein scheiss Tag.

  • Ohje, erstmal: Tut mir Leid, das zu hören. Sieht für mich auch nach der Gaster der Gyne aus.


    Ich habe keine Ahnung was passiert ist. Ich hoffe immer noch irgendwie dass sie es nicht ist aber ich kann sie auch unter den Mengen an Arbeiterinnen im RG nicht finden.


    Vielleicht ist sie auch an irgendwas gestorben und sie haben das getan was man eben mit toten Insekten macht.


    Erkennbar etwas geändert hat sich aus meiner Sicht nicht. Bin völlig überrascht.


    Da die Königin direkt hier aus der Umgebung kam, besteht die Chance ggf. eine neuen Königin vom diesjährigen Schwarmflug einzusetzen oder wars das jetzt defnitiv?

    Ich denke, wenn der Rest der Kolonie wohlauf ist, trifft dich keinerlei Schuld, ergo auch kein Haltungsfehler.


    Leider kommt das doch nicht allzu selten vor, dass die Gynen einfach absterben. Wenn es nicht davor Warnsignale gab (Arbeiterinnen sterben in höherer Menge, keine Brut mehr) usw., dann kann man da nichts machen. Ich hab das schon häufig erlebt und auch gelesen. Immer der blödeste Grund...


    Tatsächlich werden die Gynen dann sehr gerne zerkleinert und auch als Müll entsorgt. Ameisen sind reinlich und wollen ungern Müll im Nest, Hygienegründe.


    Du kannst natürlich bei einer polygynen Art versuchen, eine Integration zu wagen. Wäre spannend, ob diese gelingt, es ist leider nicht unbedingt vorhergesagt. Brauchst du Tipps dazu, oder weißt du das Vorgehen?

    Träume den unmöglichen Traum, besiege den unbesiegbaren Feind, strebe mit deiner letzten Kraft nach dem unerreichbaren Stern.

  • Hi Ice,


    danke für dein Beileid!

    Gut zu wissen, dass es voraussichtlich kein Haltungsfehler war. Der restlichen Kolonie geht es nach wie vor gut!


    Über ein paar Tipps zur Integration würde ich mich freuen!

    Wäre sicher ein spannend zu sehen, ob das klappt.

    Kann man das irgendwie so gestalten, dass man sieht, ob die die neue Gyne angenommen wird, ohne daß sie direkt in Gefahr ist?

    Würde sie natürlich lieber freilassen als zuzusehen, wie sie zerkleinert wird.

  • Wieder einmal hilft der gute alte Seifert (das war vermutlich weniger seine Intention mit dem Buch...): Bei Tests (zu Polygynie/Monogynie, warum weshalb warum...) wurde bei einer bislang monogynen Formica rufibarbis Kolonie die Gyne entfernt - danach wurden nach dem Schwarmflug dutzende Jungköniginnen adoptiert.


    Ergo denke ich, stehen deine Chancen recht gut.


    Folgende Vorgehensweise und Erfahrungen basieren auf Vergesellschaftungen von Lasius fuliginosus, sowie Lasius umbratus mit Wirtskolonien. Weiter unten noch zu Formica sanguinea, da das total anders lief.


    1. Du hältst deine Kolonie weiter ganz normal und beobachtest, ob irgendwelche Unstimmigkeiten auftreten (doch erhöhtes Arbeiterinnensterben o.Ä.). Dann müsste man die Haltung doch kritisch reflektieren. Futter usw. für die restliche Brut auch weiter normal geben. Sind nur noch Arbeiterinnen da, kannst du das Proteinfutter deutlich reduzieren, mehr Kohlenhydrate nötig
    2. Du fängst eine oder mehrere Jungköniginnen
    3. Stelle die Arbeiterinnen in einem (z.B. mit Alufolie, roter Folie o.Ä.) abgedunkelten RG ca. 30 Minuten in den Kühlschrank (bei ca. 7-8°C), das senkt die Aggression etwas
    4. Verbinde an einem ruhigen Ort (z.B. via passendem Schlauchstück/-verbinder) das ebenfalls abgedunkelte RG mit der Jungkönigin (oder den mehreren). Empfehlenswert, da besser bei Noteingriffen, ist die Arbeit mit nur einer Gyne
    5. Du kannst das Doppel-RG-Konstrukt auch wieder in den Kühlschrank legen
    6. Nun kommt der schwierigste Teil: Du solltest die einfach machen lassen, ohne zu stören. Die Arbeiterinnen und Gyne werden zwangsläufig aufeinandertreffen, spätestens wenn die Arbeiterinnen das neue RG erkunden - was schnell passiert. Da Lichteinfall und Erschütterungen zu Aggression führt, sollte das deinerseits möglichst vermieden werden. Schaue nach ca. 15 Minuten mal vorsichtig nach, was so los ist, möglichst ohne Erschütterungen und mit wenig Licht. Wird die Gyne heftigst attackiert und ist unterlegen? Dann besser Trennung. Oder hat die Gyne schon mehrere Arbeiterinnen umgebracht (körperlich überlegen, köpft gerne mal einfach die anderen!)? Das wäre der erste Moment, an dem man eine Pause oder einen Abbruch einleiten kann. Oft findet man jedoch die Tiere aber auch getrennt voneinander vor, da sie voneinander nach einem heftigen Erstkontakt wieder Abstand nehmen.
    7. Nach ca. 30-45 Minuten sollten die Attacken schon sichtlich nachgelassen haben. Arbeiterinnen und Gynen sollten sich mehr oder weniger ignorieren, wenn sie aneinander vorbei laufen. Oder nach kurzer Attacke sofort wieder ablassen. Ist nach der Zeit immer noch ein heftiges Scharmützel im Gange und sind die Tiere bedroht, kann man den Vorgang abbrechen (Gyne mit der Pinzette herausnehmen, wenn Arbeiterinnen in sie verbissen sind, kann man diese vorsichtig via Zug mit der Pinzette oder den Fingern ablösen)
    8. Bei den Lasius werden sichtlich viele Pheromone abgegeben, die die Aggression der Arbeiterinnen senken. Ich hoffe, das wird bei der Formica ähnlich sein. Ich habe den Vorgang bei abgedunkeltem Raum mal beobachtet und es war wirklich interessant, da die Arbeiterinnen manchmal heftig angegriffen haben und dann verwirrt wieder abgelassen. Dann wird sich viel geputzt usw. - die Gyne ist bei dem Vorgang immer sehr sehr defensiv gewesen, hat nicht attackiert, sich eher zurückgezogen und Attacken über sich ergehen lassen. Irgendwann konnte sie bei den anderen sitzen und wurde nicht mehr belangt. Etwas später erfolgte Putzen/Fütterung seitens der Arbeiterinnen. Es kann aber auch vorkommen, dass die Gynen irgendwann, falls eine Arbeiterin oder mehrere sie beharrlich attackieren, auch in Panik gerät und dann zurückschlägt und oder flieht


    Meine Erfahrungen zur Vergesellschaftungen von Formica sanguinea mit Serviformica sind leider ganz anders:

    1. Selbiges Vorgehen
    2. Die Gynen waren - ganz anders als die Lasius- nicht defensiv, sondern hoch aggressiv und köpften binnen Minuten ein Dutzend Arbeiterinnen. Tests bei 3 Gynen ergaben, dass bei 2/3 fast alle Arbeiterinnen binnen der ersten Stunde getötet wurden. Teilweise kippte die Stimmung selbst nach 2 Tagen (!) direkten Beisammen-Sitzens noch - die Arbeiterinnen wurden dann über Nacht komplett beseitigt, die Gynen waren wieder allein
    3. Die Adoption von 3 Formica sanguinea Gynen bei Formica sanguinea Arbeiterinnen hingegen lief tatsächlich besser. Verluste waren deutlich niedriger, nur eine Handvoll Arbeiterinnen starben. Die Gynen waren wirklich unheimlich effektive Tötungsmaschinen

    Das hatte mich überrascht, da ich dachte, der sozialparasitäre Ansatz wäre leichter (da dort keine genetische Konkurrenz mit anderen Gynen derselben Art), aber tatsächlich war es über die Adoption wirklich deutlich verlustärmer. Ggf. müsste man da ein indirekteres Vorgehen wählen: Die Gyne nicht direkt der Kolonie aussetzen, sondern in einer Miniarena selbst entscheiden lassen, wann und ob sie zur Kolonie geht.


    So ein Vorgehen hatte ich bei Lasius auch getestet, führte da aber dazu, dass die Gynen teils 2 Tage nur in der Arena saßen. Bei direkter Konfrontation ging es dann problemlos.


    Es ist einfach schwierig, in der Haltung solche Verhaltensweisen umzusetzen. Wenn, wie bei den Formica sanguinea geschildert, die Gyne beim Eindringen in ein natürliches Serviformica-Nest ein paar dutzend Arbeiterinnen tötet - so what? Es sind noch viele mehr übrig. Aber in der Haltung sind das ggf. schon krasse Verluste.

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  • Moin Ameisenfreunde,


    es hat sich nun leider 100% bestätigt daß die Gyne verendet ist.

    Sie wurde teilzerlegt am üblichen Müllplatz abgelegt.

    Den restlichen Arbeiterinnen scheint es gut zu gehen.



    Ich habe nun versucht die Gelegenheit zu nutzen um die Gyne etwas genauer zu untersuchen um zunächst absolut sicherzustellen, daß es wirklich um Formica rufibarbis handelt bevor ich einen Integrationsversuch wage.


    Ich hoffe sehr ich kann die Kolonie irgendwie retten. Es hat sich alles so super entwickelt und jetzt das... :cry2:


    Für ordentliche Mikrofotografie fehlt mir leider die Ausrüstung aber ich hoffe anhand der Bilder könnt ihr zumindest sagen für wie wahrscheinlich ihr die Art haltet.


    Anhand des Bestimmungsschlüssels würde ich sagen daß die Färbung auf dem Rücken gut paßt.

    Kopf würde ich jetzt auch eher als matt bezeichnen. Die nicht optimale Beleuchtung sowie die Tatsache, daß sie leider schon nicht mehr intakt ist macht das ganze natürlich nicht einfacher.





    Aufnahmen von Torso / Beinen:









    Gaster habe ich noch nicht wiedergefunden.

  • Hi Santiago,


    v.a. auf dem zweiten Bild deines Berichts sieht man doch ganz gut die charakteristische Rückenzeichnung dieser Art. Theoretisch käme da - bei einer Bestimmung zum Fangzeitpunkt - nur noch Formica sanguinea in Frage (die man allerdings bei der typischen Einbuchtung am Clypeus einwandfrei unterscheiden könnte). Aber das ist bei der erfolgreichen, claustralen Gründung und den Arbeiterinnen bei dir ja komplett ausgeschlossen - ergo würde ich mal bei der Formica rufibarbis bleiben :winking_face:

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  • Hallo Ameisenfreunde,


    erstmal sry für die lange Abwesenheit.


    Erstaunlicherweise geht es der Kolonie immer noch "gut", zumindest im Sinne von "es leben immer noch viele Arbeiterinnen". In diesem Jahr hatte ich zum Glück nur 2-3 Verluste zu verzeichnen.


    Ich habe sie wie gewohnt versorgt, allerdings hat sich der Bedarf an Proteinen erwartungsgemäß deutlich verringert.


    Leider habe ich keine neue Königin mehr gefunden. Auch online war die Auswahl eher schlecht, und die verfügbaren Königinnen hatten bereits ein eigenes kleines Volk. Das Zusammenführen schien mir sehr riskant, und ich fand es schwer zu rechtfertigen, die gesunde Kolonie diesem Risiko auszusetzen.


    Bevor ich sie wieder in den Winterruhezustand versetze, werde ich sie jedoch in ein neues Reagenzglas umsiedeln. (Mein Tank ist schon fast leer, ich glaube, ich habe zu wenig Watte verwendet.)


    Ich hoffe, dass ich im nächsten Jahr während des Schwarmfluges eine Königin finden kann und die Kolonie vielleicht doch noch retten kann.


    Natürlich freue ich mich darüber, dass die Umgebung anscheinend in Ordnung ist und die Kolonie sich fast gespentisch normal verhält, aber das macht den Verlust der Königin irgendwie noch tragischer


    Ich wünsche euren Kolonie alles Gute!

  • Nun, die Arbeiterinnen folgen halt einfach weiter ihrer genetischen "Programmierung". Aber ich weiß genau, was du meinst - irgendwie gibt das schon so einen faden Beigeschmack, wenn die Königin tot ist und der Rest der Kolonie ist munter und gesund. Ich hoffe, du bekommst sie gut durch die Winterruhe und kannst dann deinen Versuch starten.

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