Wie wird man Ameisenumsiedler

  • Hallo,


    erstmal zu meiner Person:

    Ich bin Biologisch-technischer-assistent und strebe bald mein Biologie Studium an. Seit vielen Jahren von klein auf beschäftige ich mich mit der Haltung von Ameisen, studiere ihr Verhalten und schaue mir Kolonien auf der ganzen Welt an.


    Mit der Zeit konnte ich feststellen, wie der Ameisenbestand immer mehr abnimmt, vor allem der der Waldameisen in unseren Wäldern und wie immer mehr Lebensräume durch Baustellen usw. zerstört werden.


    Im Internet konnte ich einige Berichte über Ameisenumsiedler sehen und lesen...

    Da Stelle ich mir nun die Frage ob und wie ich da Helfen könnte.


    Weiß jemand von euch, wie man zu so einem sogenannten Ameisenumsiedler wird? Welche Vorraussetzungen sind nötig?

  • Hi Piranha,


    erstmal herzlich Willkommen hier auf Ameisenhaltung.de. ForceMaster hat durchaus Recht, ich arbeite für die ASW.


    Erstmal freut es mich sehr, dass du dich so dafür interessierst. Und du hast Recht: Leider nehmen auch die Bestände von Ameisen (und darunter auch Waldameisen) immer mehr ab. Im Falle von Waldameisen liegt das v.a. am Waldsterben (Teufelskreis, eines geht nicht ohne das andere), Insektensterben (Entzug der Nahrungsgrundlage), Klimawandel (selbst für Ameisen ist es teils so heiß, dass sie lieber Teile des Tages im kühleren Nest verbringen), sowie natürlich Baumaßnahmen/Zerschneidung der Lebensräume etc.

    Die Ameisenschutzwarten suchen sehr gern jungen Nachwuchs, denn die Aufgaben sind vielfältig und es gibt viel zu tun. Zudem sind viele Mitglieder schon älter - man braucht die Jüngeren einfach, auch um etwas frischen Wind reinzubringen. Ich kann dich also nur ermutigen, das zu machen! Voraussetzungen sind keine nötig, du bringst aber optimale Eigenschaften mit über dein Interesse und auch deinen beruflichen Hintergrund.


    Um Ameisenheger zu werden, solltest du dich also an die Ameisenschutzwarte (ASW) deines Bundeslandes wenden. Alternativ an deren Dachverband, die Deutsche Ameisenschutzwarte. Diese Vereine führen entsprechende Schulungen durch, die für Mitglieder kostenlos sind (die Jahresbeiträge sind überschaubar und wesentlich geringer als die Schulungskosten). Die unteren Naturschutzbehörden (im Normalfall das Landratsamt/der Landkreis/Kreisstadt), sowie die höhere Naturschutzbehörde (die Regierung deines Bundeslandes) setzen diesen Ameisenhegeschein oft voraus, um Genehmigungen zu einer Umsiedlung zu erteilen. Diese Erlaubnisse sind zwingend notwendig, um überhaupt in ein Nestgefüge eingreifen zu dürfen. Man arbeitet mit diesen Behörden recht eng zusammen, v.a. mit der Unteren Naturschutzbehörde.


    Die Schulungen sind für einen bereits ameiseninteressierten Menschen sehr gut nachvollziehbar und die Prüfung entsprechend einfach. Man muss bedenken, dass das Material auch für Leute aufbereitet wird, die mit Ameisen bis dato noch nie in Kontakt gekommen sind (also Mitarbeiter*innen von Planungsbüros, Landschaftspflege, Baufirmen, etc.) und da auch keine besonderen Interessen haben, das also nur pro Forma machen, um ihrer Arbeit nachgehen zu können. Es geht also teils auch im sehr grundlegende Dinge (Kolonieaufbau, wie leben Ameisen, ...)


    Die Ausbildung gliedert sich klassischerweise in Theorie und Praxis. Seit Corona haben einige ASW auch Online-Schulungen für die Theorie und behalten diese hoffentlich auch bei, da es doch die Hemmschwelle deutlich senken dürfte, da mitzumachen (statt irgendwo im Bundesland hin fahren zu müssen, teils hunderte Kilometer). Im Normalfall wird das Wissen an mehreren Tagen einige Stunden lang vermittelt. Am Ende gibt es einen Theorietest. Der praktische Teil ist dann im Normalfall eine entsprechende Hegemaßnahme vor Ort - also eine anfallende Umsiedlung o.ä. - es gibt aber nicht in dem Sinne eine praktische Prüfung. Es geht eher darum, das theoretisch Erlernte in der Praxis umsetzen zu können.


    Im Fall einer Onlineschulung erhält man den Hegeschein schon direkt nach der Theorieprüfung. Man wird dann pragmatisch nach Möglichkeit einem erfahrenen Ameisenheger vor Ort zugeteilt, der dich an die Hand nimmt. Ich hatte meinen Schein 2 Tage, da fiel schon die erste Umsiedlung an (Formica pratensis wegen Baus einer Fischtreppe), man wird gleich reingeworfen. Wenn man niemanden vor Ort hat, muss man selbst aktiv werden.


    Neben Umsiedlungen, die stets eigentlich eher vermeiden werden sollten (Erfolg ist leider nicht gesichert und es gibt durchaus Verluste ganzer Völker) ist die Kartierung und Erfassung von Völkern sehr wichtig. Hier fehlt es leider massiv an Manpower, um auch nur halbwegs flächendeckend arbeiten zu können. Die Funde meldet man der eigenen ASW, einige Heger (auch ich) melden es auch an das zuständige Landesamt (für Umweltschutz), die haben da meist eigene Software, um das einzutragen, die man beantragen kann. Das ist auch, was man immer machen kann - Erfassen und Melden. Sowie sich der Unteren Naturschutzbehörde vorstellen, damit diese auf einen zurückkommen kann, wenn irgendwas anfällt.


    Ein Kollege und ich haben letzte Woche an einem halben Tag zu Zweit an die 120 Nester erfasst (Meldung steht aus, das ist zeitaufwendig). Heute gehe ich einen weiteren Waldstreifen ab, bei dem ich am Rand Formica pratensis vermute. Man kann also schon was leisten, muss aber einfach selbst Engagement zeigen und auch bedenken, dass da sehr viel Zeit drauf gehen kann.


    Ich verweise gern auch nochmal auf meinen vor gar nicht langer Zeit gestarteten Thread, bei dem es sich um die Arbeit der ASW dreht: Arbeit in den Ameisenschutzwarten




    Als Abschlusswort vielleicht: Ich bin sowohl Ameisenhalter, als auch Ameisenheger. Beides schließt sich meiner Meinung nach auch nicht aus - vorausgesetzt man legt eine verantwortungsvolle Haltung als Maß an. Zwar lehnen einige Ameisenschutzwarten die Ameisenhaltung ab bzw. betrachten diese wenigstens kritisch in Hinsicht auf Verschleppungsgefahren (invasive/exotische Arten). Jedoch ist das Risiko bei einer mit entsprechenden Ausbruchssicherungen gesicherten Haltung sehr überschaubar. Im Gegenzug - ohne die Haltungsrisiken damit schmälern zu wollen - hatten wir immer wieder Fälle, in denen sich Laien gemeldet haben, die mit gekauften Pflanzen exotische Ameisen in ihre Wohnung gebracht hatten. Verschleppungsrisiken sind mit dem globalen Handel kaum vermeidbar. Vermeidbar sind aber Ausbrüche der Ameisen in der eigenen Haltung, indem man sie gut sichert und die Sicherung regelmäßig wartet. Dieses Wissen wollen wir hier auf der Plattform ja auch u.a. vermitteln. Wir vom Team lehnen auch die Haltung von potentiell stark invasiven Arten ab - die Klassifizierung ist zwar schwierig, aber es gibt einige Arten, die einfach nicht sein müssen.


    Meiner Meinung nach sollten die ASW da offener mit den Haltern umgehen. Solange die Haltung legal und vernünftig durchgeführt wird, wäre ein beachtlicher Pool an Ameiseninteressierten und Ameisenfans vorhanden. Diese kategorisch auszuschließen führt zu dem, was man leider in vielen ASW (und generell Vereinen) sehen kann: Überalterung und Nachwuchssorgen.



    Bei allen Fragen kannst du gern jederzeit auf mich zurückkommen. Gern auch, falls gewünscht, per PN (oben rechts die Sprechblasen/Konversationen bzw. Mobil erst auf deinen Profil-Avater), falls du verraten willst, woher du kommst. Wird vertraulich behandelt.

    Träume den unmöglichen Traum, besiege den unbesiegbaren Feind, strebe mit deiner letzten Kraft nach dem unerreichbaren Stern.

    3 Mal editiert, zuletzt von ice_trey ()

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