Warum klappt gattungsinternes Pushing nicht immer?

    • Offizieller Beitrag

    Hallihallo,


    wieder einmal stellt sich mir eine Frage, die mich seit einigen Tagen beschäftigt.
    Da ich nur Vermutungen anstellen kann, hoffe ich, dass jemand genaueres weiß.


    Es geht um Pushing.


    Bekanntlich ist Pushing ja bei vielen Arten problemlos möglich, sowohl artintern, als auch gattungsintern.
    Sprich: Wenn ich einer Lasius niger Kolonie Lasius flavus Puppen unterschiebe, werden diese einfach in die Kolonie integriert.
    Ebenso gut funktioniert das bei den einheimischen Camponotus.


    Mein Problem: Ich hatte von einer Freundin zwei Messor barbarus Gynen bekommen, die ihre Gründung versemmelt hatten. Ich bot an, einen Pushingversuch mit einigen meiner Messor minor hesperius Puppen zu starten. Während eine Gyne ihre Puppe sofort annahm, sah die andere Königin einen feinen Snack in ihrer Heimstatt. So war das natürlich nicht geplant, doch ein erneuter Versuch zeigte: Auch diese Gyne nahm die Puppe an.


    Nun das Verwunderliche: Zwar wurden die Puppen über 4 Wochen lang gehegt und gepflegt (man konnte die Gynen beobachten, wie diese die Puppen ableckten und umlagerten), aber es wurde letztendlich keine Schlupfhilfe geleistet. Dieses Problem ist mir - dank des guten Rats von Herrn Professor Buschinger vor einiger Zeit (siehe hier, Post 7) - bereits bekannt. An den geschlüpften Tieren bleiben Reste der Puppenhaut hängen, was deren motorischen Fähigkeiten derart einschränkt, dass sie versterben. Eigentlich wäre es der Job der Gyne, diese zu entfernen. Dies geschah nicht.


    Nun frage ich mich: Wieso funktioniert das bei einigen Arten so gut, bei anderen jedoch nicht? Und das obwohl die Lebensweise, Größe und Aussehen der Tiere recht ähnlich sind?
    Ich denke die Puppen geben bestimmte Pheromone ab, die die Königin (oder andere Arbeiterinnen) zur Schlupfhilfe motivieren. Vermutlich stimmen diese Pheromone bei manchen Arten gattungsintern überein, bei anderen jedoch nicht, weshalb die Schlupfhilfe bei den einen geleistet wird, bei den anderen jedoch nicht.
    Mich wundert eben wie gesagt nur, dass die Puppen zwar angenommen und gepflegt werden (also als "etwas Eigenes betrachtet"), es dann aber am Schlupf scheitert.


    Oder liegt es - wie damals in Prof. Buschingers Mail geschildert - eher an den Haltungsbedingungen (glatter Reagenzglasboden, etc.)?


    Weiß jemand ob diese Vermutung richtig ist?
    Oder hat gar jemand eine solche Versuchanordnung wie ich gehabt und im Gegensatz zu mir erfolgreich durchgeführt und diverse Messor-Arten miteinander vermischt?


    Ich werde auf jeden Fall einen neuen Versuch unter anderen Bedingungen starten und den Gynen einen rauen Bodengrund in das Reagenzglas geben, damit die Puppen besser "ausgepackt" werden können. Sofern mir hier also keiner antwortet, werde ich es selbst tun - was allerdings noch einige Wochen dauern wird, da ich die nächsten 2 Wochen gar nicht zuhause bin.



    Herzliche Grüße,
    ice

    Träume den unmöglichen Traum, besiege den unbesiegbaren Feind, strebe mit deiner letzten Kraft nach dem unerreichbaren Stern.

  • Hallo ice,


    um das Phänomen zu verstehen, schaut man sich am Besten an, wie es in der Natur passiert. Wo wird in der Natur "gepusht"? Bei den Sozialparasiten. Und selbst die haben erhebliche Probleme, obwohl sie an sich schon gut an ihre Wirtsameisen angepasst sind. Ein Chthonolasius Königin, die es geschafft hat, in ein Nest zu kommen, legt Eier und lässt von artfremden Arbeiteirnnen ihre Brut aufziehen. Die erste Generation der parasitischen Ameisen wird nach dem Schlupf zu tode "gemobbt", ähnlich ist es bei Lasius fuliginosus, die erste Generation der Arbeiterinnen geht meist unter. Die Sozialparasiten müssen daher so viel Brut wie möglich aufziehen, um die Writsameisen quasi zu überrennen.
    Auch bei Raptiformica passiert so etwas. Als die erste Raptiformica Arbeiterin unter den Writsameisen geschlüpft ist, wurden ihr ein Bein und die Vorderfühler abgebissen, und sie wurde wütend in der Arena umhergezerrt, bsi sie schließlich starb. Die nachfolgenden Arbeiterinnen wissen sich dann eher zu wehren, wobei das Ganze sehr unauffällig ist.
    Ein ganz besonderes und nahezu perfektes Beispiel ist Polyergus rufescens. Eine der wenigen Ameisenarten, die mehrere Wirtsameisenameisenarten befällt (das ist bei anderen Polyergus-Arten z.B. nicht so). Dadurch passiert es, dass im Nest der Polyergus manchmal vershceidene Wirtsameisenarten vorkommen. In einigen Kombinationen funktioniert das gut, in anderen überhaupt: Da bekriegen sich die Sklaven untereinander, oder die Brut wird schon im vronerein gefuttert und gar nicht erst aufgezogen. Aber vorsichtig muss man bei Sozialparasiten Beispielen auch sein: Man darf nicht vergessen, dass sich die Wirtsameisen auch an ihre Parasiten angepasst haben. Die ganzen Aussagen sind daher auch nicht zu verallgemeinern.
    Ameisenarten unterscheiden sich eben, und man kann nicht erwarten, dass das hinzufügen von Puppen einer fremden Art funktioniert. In einigen Fällen funktioniert es zwar sogar recht gut und ist die letzte Hoffnung für so manche Königin (ich habe derzeit eine Cataglyphis nodus Königin mit Arbeiterinnen von Cataglyhis cf. savignyi), aber es klappt eben nur dann, wenn sich die Arten nicht großartig unterscheiden und nahe miteinander Verwandt sind. Auch wenn Arten zu einer selben Gattung gehören, heißt das nicht zwangsweise, dass sie ganz nah miteinander verwandt sind: Man darf nicht vergessen, dass diese Zusammenfassung von Ameisenforschern gemacht wird, und nicht von der Natur. U.a. zu dem Zweck wurden auch Artenkomplexe und Untergattungen geschaffen.
    Aber ich denke, es gibt wie immer keine allgemeingültige Antwort. Manchmal versteht man es eben nicht, warum es bei der einen Art besser klappt als bei der anderen.


    Vielleicht ist auch die Frage falsch gestellt. Sollte man nicht eher fragen, "Warum klappt gattungsinternes Pushing manchmal?"


    Grüße, Phil

  • sawasdee krub


    es gibt grob gesagt drei Mechanismen, die hier greifen:
    1. der Gattungs- und Artduft, sowie die daraus resultierende Diskriminierung
    2. Praegung, und damit die zukuenftige Art- und Volkszugehoerigkeit der Imagines
    3. Kommunikation, und zu verstehende Fremdsprachen


    Jede Imago besitzt nach einer 14taegigen Praegungsphase eine individuelle Duftuniform, ua aus den Komponenten "Nest, Volk, Art, Gattung". Diese Duftuniform sagt der Imago aber auch, welche Brut sie zu pflegen hat, oder besser: was als Brut erkannt wird! Jetzt ist aber die Toleranz der einzelnen Arten gegenueber unpassenden Komponenten unterschiedlich stark ausgebildet... oder besser gesagt: die Ausloesung einer Adoption fordert mehr oder weniger passende Komponenten. So akzeptieren einige Arten ausschliesslich die eigene Art. Andere Arten tolerieren Verwandte der eigenen Gattung problemlos, wieder andere fordern zusaetzlich zB eine passende Nestkomponente. Hier liegen der Hund und die Unterschiede begraben, warum verschiedene Arten verschieden gut adoptieren, und sogar Empfaenger- und Spenderabhaenige Adoption auftritt.


    Wurde die Adoption erfolgreich gefuehrt, kommt das naechste Problem: die Biester muessen ja kommunizieren!
    Was nutzen 5 Liter verspritzte Pheromone, wenn sie kein Mensch versteht! Ok, zugegeben, die Halter muessen sie ja auch nicht verstehen... also: wenn sie keine Ameise versteht, und die Pheromone keinen Auswickel-Trieb ausloesen, oder diesen nur dann und wann treffen.
    An einem glatten Boden im RG wird es sicherlich nicht liegen, da dieses Problem sonst ganz allgemein in der Haltung auftreten wuerde.



    Das ganze System des Sozialparasitismus ist nur sehr bedingt zu vergleichen, da hier andere Mechanismen bzw eine anders geartete Ausnutzung der Mechanismen zum Tragen kokmmt.

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