Beobachtungen und Erfahrungen

  • Hallo allerseits! :winken2:


    Ich habe bis lang keinen Platz im Ameisen Cafe gefunden, um Beobachtungen kund zu geben (länger und ausführlicher als in der Shoutbox) und diese zu diskutieren. Falls es so einen Thread schon gibt, weist mich doch bitte darauf hin. Annsonsten schlage ich vor einfach diesen hier weiter zu verwenden.




    Ich habe heute am 31.12.2021, was eigentlich im Winter liegt/liegen sollte, eine Camponotus herculeanus Kolonie beobachten können. Die Kolonie zeigt, zu dieser Zeit Außenaktivität. Zwar nur sehr gering aber doch. Sie lebt in einem Abgestorbenen Baum in meinem Garten. Ich sehe sie oft im Sommer und beobachte sie bei ihren Aufgaben. :face_with_open_mouth:

    Es ist heute ungewöhnlich warm, für diese Jahreszeit, es hat ganze 15 Grad.

    Eine Störung der Winterruhe bei Camponotus Arten wurde ja schon oft thematisiert. Dabei handelte es sich aber immer um Kolonien in der Haltung und nicht in der Natur. :think:


    LG. ForceMaster!

    • Offizieller Beitrag

    Hi ForceMaster,


    Danke für die Eröffnung des Threads. Es gibt glaube ich keinen Thread für allgemeine Beobachtungen... :thinking_face:



    Eine Störung der Winterruhe bei Camponotus Arten wurde ja schon oft thematisiert. Dabei handelte es sich aber immer um Kolonien in der Haltung und nicht in der Natur. :think:

    Ja, das ist korrekt. Die endogen lebenden Camponotus-Arten weisen häufig nach spätestens ein paar Jahren in der Haltung Störungen in ihrem Rhythmus auf. Ich bin relativ sicher, dass das an viel zu homogenen Bedingungen liegt, die in der Haltung aufkommen - weniger in einem generell falschen Zyklus (also zu spät begonnene/zu früh beendete Winterruhe). Camponotus-Kolonien in der Haltung muss man zwar relativ genau beobachten, um zu sehen, wann diese die Winterruhe vorbereiten und auch deren Ende, aber ich denke man liegt mit dem Standard Ende Oktober-Ende März nicht ganz falsch und wenn der Rhythmus funktioniert, kann man etwa in diesen Zeiträumen auch beobachten, wie sich die Larven entwässern/wieder Wasser zulegen und z.B. am Anfang der WR auch die Eiablage eingestellt wird. Wird der Rhythmus hingegen gestört, kann man schon im Hochsommer beobachten, wie die Winterruhe vorbereitet wird, bei mir war das mal Ende Juli.


    Es wäre interessant zu sehen, ob ein realistischer Wechsel von Temperaturen/Witterung nach Vorbild der Natur hier Verbesserungen schaffen würde. Denn wie du ganz richtig erkannt hast - die Ameisen in der Natur bleiben eben nicht brav zuhause, nur weil es Winter ist. Sie sind durchaus dazu in der Lage, bei steigenden Temperaturen diese für sich zu nutzen. Du musst dabei aber sehen, dass es v.a. die Tiere sind, die ohnehin sehr oberflächennah überwintern, die dann auch einstweilen fouragieren gehen. Das liegt daran, dass sie die höheren Temperaturen überhaupt spüren und als wechselwarme Tiere davon auch profitieren können. Die Koloniemitglieder hingegen, die besser vor den Außentemperaturen - und damit auch deren Schwankungen - geschützt sind (z.B. wenn sie sich recht gut isoliert 1m unter der Erde befinden), werden nicht von temporären Temperaturschwankungen erfasst. Es dauert dort sowohl länger, dass es kälter wird und es bleibt weitestgehend erträglich kalt, selbst bei starken Minusgraden. Ein gefrorener Boden braucht hingegen auch mehrere Sonnentage, um auch in tieferen Schichten aufzutauen. Die Tiere dort unten benötigen also weitaus länger, um wärmere Temperaturen zu spüren und ein paar schöne Tage reichen nicht, um sie großartig zu aktivieren.


    Das Problem ist dann in der Haltung eben, dass die Temperaturen in der freien Natur eigentlich weitaus stärker schwanken und das in der Haltung überhaupt nicht simuliert wird oder werden kann. Das kennt man auch von anderen Gattungen schon so, wie z.B. bei Temnothorax. Bei diesen wird empfohlen, diese auch extremeren Temperaturen auszusetzen, v.a. z.B. sie auch den Minusgraden im Winter auszusetzen, statt sie bei lauschigen max. 10°C durch die Winterruhe zu bringen. Die Kolonien werden tatsächlich durch zu große Homogenität bzgl. der Temperatur dauerhaft geschädigt. Grund ist hier, dass die Temnothorax in der freien Natur durch ihre sehr exponierten Nester (z.B. in Eicheln, morschen Aststücken usw.) diesen - teils zweistellig im Minusbereich liegenden - Temperaturen auch massiv ausgesetzt sind und sich daran angepasst haben. Sie sind hier zwar ein Extremfall, aber das betrifft andere Gattungen/Arten eben abgeschwächt auch.


    Welcher Halter aber beendet immer wieder mal relativ rapide die Winterruhe, wenn z.B. draußen ein paar schöne Wintertage bei Plusgraden herrschen? Meist lässt man sie dann doch eher an Plätzen liegen, die eben relativ stringent frostfreie unter 10°C aufweisen. Das ist ja auch prinzipiell richtig so und nicht per se falsch. Die Ameisen sind aber - wie du richtig beobachtet hast - eben auch im Winter unterwegs, wenn es sich anbietet, im Normalfall bei Temperaturen über 10°C. Ich selbst habe heute auch bei ca. 12°C Sonne eine Formica-Arbeiterin beim fouragieren beobachtet. Daneben wird oft vergessen, dass viel mehr Arten einen endogenen Rhythmus aufweisen, als man normalerweise annimmt. Man kennt das ja von div. einheimischen Camponotus, aber auch z.B. Lasius niger und Myrmica rubra folgen einem solchen Rhythmus, was von den Haltern meist überhaupt nicht beachtet wird.


    Lange Rede, kurzer Sinn. Was du beobachten kannst ist also mitnichten eine Störung im Ablauf der Winterruhe, sondern nur ein kleines Zeitfenster, das ein Teil der Kolonie nutzt. Die viel tiefer gelagerten Larven aber z.B. verbleiben in ihrem entwässerten Zustand bis in das Frühjahr hinein und auch die Königin würde - selbst wenn es nun 2-3 Wochen warm wäre und regelmäßig Arbeiterinnen unterwegs wären - noch nicht mit der Eiablage beginnen.


    Hoffe, das das ein bisschen erklärt, warum du die Tiere nun momentan beobachten kannst :smiling_face:

  • Hallo,


    ich habe nun schon die zweite Winterruhe beobachtet wie meine Camponotus herculeanus Königin bei den niedrigen Temperaturen sich auf den Rücken legt. Dachte letztes Jahr schon sie wäre verstorben und hatte die Winterruhe deshalb schon im Februar beendet. Mit dem Ergebnis, dass die Königin doch noch lebte. Dieses Jahr wieder das gleiche, sie liegt auf dem Rücken. Dachte wieder sie könnte tot sein, aber aus dem letzten Winter gelernt, habe ich das Nest diesmal nur 2 Tage lang in den wärmeren Keller gebracht und dann stand sie auch wieder auf ihren Beinen. Scheint für sie gemütlicher zu sein so zu liegen.

    • Offizieller Beitrag

    Hi Kryolan,


    eine interessante Beobachtung und gut, dass du es mal ansprichst. Denn auch für andere Halter kann das der Schock des Tages sein!


    Diese Haltung ist aber nicht immer, was es scheint. Es kann in der Winterruhe durchaus vorkommen, dass sich die Gynen (oder auch andere der Koloniemitglieder) seltsam zusammenkrümmen oder, wie bei dir, einfach seltsam liegen - z.B. auf der Seite oder seltener auf dem Rücken. Viele Halter hatten diesen Schockmoment schon, denn teilweise haben die Tiere dann wirklich eine richtige "Totenhaltung", also v.a. mit stark angezogenen Beinen und teils auch hier in Rückenlage. Selbst wenn andere Koloniemitglieder über sie laufen, reagieren sie dann manchmal nicht.


    Durch den in der Winterruhe stark heruntergefahrenen Stoffwechsel bleiben die Tiere manchmal für einige Zeit in dieser Haltung. Erst durch eine Erwärmung kommen sie langsam wieder in Schwung und nehmen dann wieder ihre richtige Körperhaltung ein. Meist beginnt das erstmal mit etwas "Fühlerwackeln", später dann mit dem restlichen Körper.



    Du hast es also absolut richtig gemacht: Bevor man aus allen Wolken fällt, sollte man die Tiere erstmal vorsichtig aufwärmen (nicht zu sehr, bitte nicht mit Heizstrahler o.ä. schockwärmen, sondern einfach mal ein paar Stunden bei Zimmertemperatur lagern). Bleibt die Königin auch nach mehreren Stunden Zimmertemperatur so, dann ist sie vermutlich wirklich tot. Man sollte das aber genau prüfen.


    Die Winterruhe wird dadurch auch nicht gestört, denn auch in freier Natur gibt es im Winter Wärmephasen - da kann schonmal ein Teil der Kolonie sogar wieder für ein paar Tage fouragieren gehen. Man kann die WR also getrost für ein paar Stunden oder einen Tag unterbrechen, solange das nicht ständig vorkommt.

  • Hallo,


    noch einmal möchte ich eine Beobachtung, welche zumindest für mich neu ist, hier teilen.


    Im letzten Jahr ist meine Lasius niger Kolonie wahnsinnig angewachsen und zum ersten Mal habe ich eine wirklich große Kolonie überwintert. Dabei ist mir nun am Ende aufgefallen, dass überall am Boden hunderte tote Arbeiterinnen verstreut liegen. Von der Anzahl her denke ich ist das der recht normale Verlust der großen Kolonie über die Winterzeit gesehen.

    Was ich zunächst nur dachte und nun scheinbar bestätigt bekam ist, dass im Winter die Toten kaum bis gar nicht verräumt werden. Jetzt nach einem Tag bei wärmeren Temperaturen haben die Arbeiterinnen alle Toten zusammen auf kleinere Haufen verteilt und sogar damit begonnen Schmutzecken im Verbindungsschlauch aufzuräumen.


    Toll wie die Kolonie wieder erwacht und sich selbst organisiert.

  • Hi Kryolan,


    wie hast du die Tiere denn genau überwintert? Wie groß ist die Kolonie effektiv (vor der Winterruhe) gewesen?


    Gewisse Ausfälle sind normal, jedoch klingen hunderte tote Arbeiterinnen schon nach einer Menge, die vielleicht aufgrund einer Fehlerquelle entstanden sind.


    Der häufigste Grund für Massensterben in der WR ist Wassermangel. Hatten die Tiere leichten Zugang zu Wasser (auch in Hinblick darauf, dass sie nur sehr begrenzt agieren, also vielleicht nicht das ganze Nest durchqueren, um zu einer Wasserquelle zu gelangen)?



    Was die Beobachtung selbst angeht: Ja, Ameisen sind sehr reinlich und die erhöhte Aktivität kann dann schon zu einer Art Frühjahrsputz führen :smiling_face:

    Die toten Tiere stellen ja auch eine Seuchengefahr dar, werden also immer so schnell es geht entfernt.


    Im Winter findet das ggf. aufgrund des stark herabgesenkten Stoffwechsels nicht in der Form statt.

    Träume den unmöglichen Traum, besiege den unbesiegbaren Feind, strebe mit deiner letzten Kraft nach dem unerreichbaren Stern.

  • Hallo ice_trey,


    die Lasius niger sind über dem Winter in einem eigenen Kühlschrank gewesen, mit zwei Becken (20x20 Erdnestbecken und 30x20 "Gründerbecken") in denen sich die Kolonie aufhielt, verbunden durch einen Schlauch. Wasser habe ich regelmässig 1-2 Mal die Woche aufgefüllt um sicher zu gehen, dass die Ameisen genug Wasser haben. Ein großer Teil der Kolonie überwinterte im Schlauch.


    Mit hunderten Toten mein ich aber eher etwas zwischen 100-200, vielleicht mehr, soweit ich das überblicke, also nicht ganz extreme Zahlen.


    Die Größe der Kolonie kann ich nur überschlagen. Über 1000 auf jeden Fall vor der Winterruhe. Einblick in das Erdnest habe ich nur begrenzt, sie halten sich aber sowieso mehr in Reagenzgläsern und den Verbindungsschläuchen auf. Zählen kann man da aber nicht, da man nur eine schwarze Masse sieht. Den Teil der Larven der den Winter mit überstanden hat und den ich sehen kann sind grob überschlagen sicherlich 300-400 Stück. Deshalb machen mir die Toten auch nicht viele Sorgen. Einzig wüsste ich gern ob die Königin überlebt hat, aber das wird wohl reines Glücksspiel sein diese mal zufällig zu entdecken.


    Jegliche Versuche Ihnen andere Nester anzubieten, sei es Porenbeton, Kork, dieses DigFix vom Antstore oder simples Plastik wurde weitesgehend ignoriert oder als Müllplatz genutz. Das Erdnest nehmen sie halbwegs an, am liebsten aber weiterhin Reagenzgläser auch wenn die bereits ohne Wassertank sind.


    Aktuell bewohnen sie nun bereits fünf Becken bei mir. Zwei davon halt als mehr oder weniger als Nest benutzt.

  • Ok, ich habe selbst keine Kamera mehr, deshalb nur Amateurbilder, aber für den Überblick reicht das denke ich. Auf dem Bild mit dem Schlauch habe ich umkreist wo die Larvenberge sind. Eventuell kann man sie so zumindest erahnen. Das Becken mit dem Erdnest ist ansonsten durch ein großes Bild abgedunkelt, welches ich vor das Regal stelle.


    Bei der Gelegenheit habe ich auch die erste Schokoschabe für dieses Jahr hineingelegt. Das diese auf einem Küchenpapier liegt ist gerade eine Ausnahme.


    Bei dem Bild in dem ein kleines Becken 10x20 in einem großem 20x30 steht, das ist sozusagen das Gründungsbecken. Darin liegt sogar noch das Gründungsreagenzglas. Schimmel ist keiner sichtbar in den alten Reagenzgläsern. Wenn die Wassertanks leer sind, dann "graben" sich die Lasius immer durch die Watte und verwenden diese für Umbaumaßnahmen.

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