3.6. Die Ausbruchssicherung

3.6. Die Ausbruchssicherung



So, nun haben wir ein Formicarium fertig gestellt, wir wissen über die Art Bescheid, die wir halten wollen. Wenn wir uns jetzt Ameisen zulegen würden, würde die Freude daran aber wahrscheinlich nicht lange andauern, wenn wir nicht über einen Ausbruchsschutz nachdenken, Denn wie man sich sicher vorstellen kann, bleiben die Ameisen nicht freiwillig in ihrem Formicarium. Gerade Lasius niger sind wahre Meister im Ausbrechen. Da sie sehr klein sind passen sie durch jeden noch so kleinen Spalt... und wie ferngesteuert werden sie diesen finden, wenn es ihn gibt. Aber es existieren recht wirksame Methoden, die Kleinen daran zu hindern. Auf einige gehe ich im Folgenden ein.

Deckel


Deckel sind, sofern sie dicht sind, eine relativ gute Ausbruchssicherung und über dies hinaus auch ein guter Schutz gegen Spinnen und andere Tiere die dem Volk schaden könnten. Um die Sicherheit zu erhöhen, kann man zwischen Deckel und Becken noch ein Dichtband anbringen und eventuelle Spalten z.B. mit Klebeband verschließen. Dazu haben Deckel den Vorteil, dass man in sie je nach Typ auch gleich eine Lampe oder gar Belüftung einbauen kann (z.B. eine Leuchtstoffröhre). Entscheidet man sich für einen solchen, muss man sich allerdings Gedanken über die Belüftung machen, gerade dann, wenn man eine herkömmliche Lampe benutzt. Die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit steigen sonst unkontrolliert an und der Gasaustausch wird beeinträchtigt. Außerdem muss man sich eine Möglichkeit zur Fütterung überlegen, wenn man nicht jedes Mal den ganzen Deckel entfernen will (dann ist der Ausbruchsschutz natürlich nicht mehr gegeben). Dazu kann man beispielsweise eine Öffnung in den Deckel machen, die dann mit einer weiteren Abdeckung, etwa einer Glasscheibe, verschlossen wird. Außerdem funktionieren auch fertige Deckel für Aquarien, die oft schon eine integrierte Leuchtstoffröhre und eine Klappe zum Füttern haben. Dennoch bleibt an dieser Stelle eine erhöhte Ausbruchgefahr natürlich bestehen, da dieser Deckeltyp nicht für Ameisen ausgelegt ist. Oder man weicht gleich auf einen speziellen Deckel aus dem Ameisenfachhandel aus, diese schließen dicht und haben oft die oben genannten "Features".
Generell empfiehlt es sich, den Deckel grundsätzlich mit einem Rutschmittel zu kombinieren... und die schauen wir uns jetzt an.

Rutschmittel


Rutschmittel sind, wie der Name schon sagt, Mittel, aus denen die Ameisen keinen Halt finden. Die im Folgenden beschrieben Mittel werden in einem etwa 2-3cm breiten Streifen am oberen Rand des Beckens aufgetragen. Prinzipiell gilt bei Rutschmitteln immer: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser Der Grund dafür ist einfach: auch die kleinste Schwachstelle ist ein Sicherheitsrisiko, dass die Tiere früher oder später ausnutzen werden. Nun gibt es verschiedene Rutschmittel, die sich mehr oder weniger gut bewährt haben.

Öle


Pflanzenöle, Vaseline, sind gängige Rutschmittel, die jedoch schnell ihre Wirkung verlieren können und ständig kontrolliert werden sollten. Hier nimmt man stattdessen dickflüssiges Paraffinöl, was deutlich wartungsärmer ist. Dieses trägt man mittels eines Papiertaschentuchs oder Küchenkrepp relativ dünn, dafür gleichmäßig auf. Hat das Becken Silikonränder, so muss man diese vorab mit etwas Tesa überdecken, da das Öl nicht an Silikon haften bleibt. Das Klebeband muss dabei sehr exakt und fest angebracht werden, da die Ameisen sonst dazu neigen, darunter zu kriechen und stecken zu bleiben. Ggf. kann man auch einen schmalen Bereich des Silikons komplett entfernen, sodass die Glasscheiben frei liegen. Hier sollte sich aber keine Spalte bilden - die Methode ist abhängig von der Bauart des Beckens.

Talkumpuder


Praktikabel ist auch Talkumpuder, welches man beispielsweise in der Apotheke kaufen kann. Bitte nicht Babypuder, auch wenn dieses Talkum enthält. Die vielen weiteren Stoffe und oft auch Parfums sind für Ameisen nicht geeignet. Das Pulver wird mit Wasser zu einem Brei verrührt und dick aufgetragen. Versucht eine Ameise, es zu betreten, bröckelt es minimal ab und die Überquerung wird erschwert. Unmöglich wird sie aber nicht: versuchen es ausreichend viele Tiere nur oft genug an derselben Stelle, ist genug abgebröckelt und der Weg ist frei. Auch hier gilt: ständige Kontrolle! Talkumpulver sollte man nicht einatmen, es ist lungenschädlich!
Beides, sowohl Öl- als auch Talkumsperren, sind empfindlich gegenüber hohe Luftfeuchtigkeit. Während Öle in dem Fall schnell größere Tröpfchen bilden und die eigentlich gleichmäßige Schicht zunehmend marode wird, kann feuchtes Talkum nicht mehr gut abbröckeln und verliert somit seine Wirkung.

PTFE


Die haltbarste Variante ist das so genannte flüssige PTFE. Es handelt sich um eine Flüssigvariante des als Teflon bekannten Kunststoffes, der auch zur Anti-Haft-Beschichtung von Kochgeschirr verwendet wird. Beim Auftragen sollte unbedingt beachtet werden, dass hier nicht die Schichtdicke, sondern eine geschlossene, gleichmäßige Oberfläche zählt. Und diese sollte sogar möglichst dünn sein. In verschiedenen Shops wird dieser Schutz gebrauchsfertig in Fläschchen verkauft. Dazu gibt es einen Pinsel zum Auftragen. Viele Halter verdünnen dieses Gemisch noch etwas (es gibt gute Erfahrungen mit einem Mischungsverhältnis von 1:5 gemacht, also 10ml PTFE-Lösung und 50ml Wasser) und lassen es kontrolliert über den Rand laufen. Dafür wird einfach die Scheibe im Abstand von 2-3cm vom oberen Rand mit Klebeband abgeklebt und die Lösung auf die frei gebliebenen Scheibe geschüttet oder mit einer Pipette o.ä. aufgebracht. Nach dem Trocknen wird dann das Klebeband entfernt, die somit entstehende Schicht ist beinahe perfekt, überall gleich breit und fast nicht sichtbar. Das Auftragen ist also etwas umständlicher als z.B. bei Paraffinöl oder Talkum, das Ergebnis hingegen ist nicht nur optisch hervorragend: Während andere Rutschmittel oft bereits nach Tagen oder wenigen Wochen erneuert werden müssen, hält PTFE wesentlich länger. Es reicht zumeist sogar, den Schutz einmal pro Jahr zu erneuern. Natürlich sollte man auch hier immer kontrollieren, denn es ist nicht auszuschließen, dass früher nachgebessert werden muss, aber das sollte bei entsprechend sorgfältiger Verarbeitung die Ausnahme bleiben. Weiterhin ist in den Ecken Vorsicht geboten, denn die Sicherungen (besonders PTFE) halten oft nicht auf Silikon. Das Entfernen überflüssigen Silikons (Achtung: nicht die Verklebung beschädigen!) und ein Streifen Klebeband über das Silikon kann da Abhilfe schaffen, es sollte aber unbedingt sauber gearbeitet werden, sonst ist der Schutz trotzdem unwirksam und Lücken unter dem Klebefilm können zum Ausbruch führen. Oder diese werden zumindest zur Ameisenfalle, denn Tiere, die hier hinein kriechen, bleiben kleben und sterben. Besonders bei PTFE ist es wichtig, kein allzu preiswertes Klebeband zu verwenden, denn entweder ist hier die Oberfläche aus Materialgründen nicht gut oder aber der Kleber hinterlässt Rückstände auf der nicht-klebenden Oberseite. Die Folge ist, dass es trotz perfekter PTFE-Schicht die Überquerung des Klebebandes möglich ist. Die Klebebandmengen, die man hierfür braucht, ist aber so gering, dass man ruhig teurere Markenprodukte verwenden kann, hiermit hatte ich noch nie Probleme.

Wassergraben


Diese Form des Ausbruchsschutzes ist in vielerlei Hinsicht problematisch und nach meinem Erachten am wenigsten empfehlenswert, der Vollständigkeit halber soll sie hier aber dennoch aufgeführt werden. Ein Wassergraben ist eine Vorrichtung, die mit Wasser gefüllt ist, die Arena befindet sich dann beispielsweise auf einer Art Insel. Einige Halter bringen aber auch oben am Becken einen Wasserlauf an, etwa mit speziell zugeschnittenen Glasscheiben. Die Ausbruchssicherheit basiert auf der Tatsache, dass die meisten Ameisenarten nicht schwimmen oder tauchen können. Das ist theoretisch richtig, praktisch sieht es aber mal wieder ganz anders aus. Mal ganz von Arten abgesehen, die Strategien entwickelt haben, um Gewässer zu überwinden (sie bauen teils regelrechte Brücken bzw. Flöße aus lebenden Arbeiterinnen), kommt gerade kleinen Arten die so genannte Oberflächenspannung des Wassers zu Hilfe. Es funktioniert genau wie bei Wasserläufern auf dem Teich: die Ameisen, besonders bei kleinen Arten, gehen regelrecht über das Wasser. Ist der Wassergraben durch z.B. Staub verschmutzt, haben sie es sogar noch einfacher. Zudem gilt hier natürlich das, was oben über „Gewässer“ im Allgemeinen geschrieben wurde. Ein Graben muss also ständig gereinigt werden. Pumpen können hier aber nicht eingesetzt werden, sie verursachen feinste Vibrationen, die das Volk schädigen können (siehe Absatz 3.9. Stress). Diese Vorrichtung dauerhaft sauber zu halten ist also enorm schwierig. Somit sind für die Ausbruchssicherheit weitere Sicherungen nötig, die aber allein schon eine hohe Ausbruchssicherheit gewährleisten können (siehe PTFE), was den Graben eigentlich überflüssig macht. Außerdem nehmen Wassergräben einigen Platz in Anspruch und können gerade in Wohnräumen eine echte Sauerei sein. Eines der größten Probleme ist allerdings, dass auch hier Ameisen ertrinken können. Ist beispielsweise der Rand der Insel zu glatt, können sie beim Versuch, ein Schlückchen zu nehmen, hineinfallen. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn man dem Wasser einen Tropfen Spülmittel hinzugibt, um das Problem der Oberflächenspannung zu beseitigen. Angesichts solcher Risiken, dem zusätzlichen Aufwand, dem Platzbedarf und der mangelnden Sicherheit kann man Wassergräben somit eigentlich nur als ungeeignet bezeichnen.

Ein kleiner Wegweiser zum eigenen Volk

Einleitung

2.Ameisenhaltung im Allgemeinen

2.1 Warum eigentlich Ameisen?
2.2 Die Ameisenhalterin, Der Ameisenhalter

3.Die Ameisenhaltung im speziellen

3.1 Winterruhe
3.2 Das Formicarium
3.3 Das Nest
3.4 Die Arena
3.5 Die Einrichtung
3.6 Die Ausbruchssicherung
3.7 Futter
3.8 Das erste Volk
3.9 Stress
3.10. Winterruhe

4. Gefahren durch Ameisenhaltung

4.1 Exoten
4.2 Biologische Invasion
4.3 Parasiteninfektion
4.4 Intraspezifische Homogenisierung
4.5 Fazit