Unentschlossenheit bei der Wahl der Art

  • Hallo Ameisencafe :smiling_face:


    Ich muss etwas ausholen. Ich war irgendwann zufällig auf die Ameisenhaltung aufmerksam geworden. Da ich das Hobby super spannend fand, setzte ich mich (eher auf einer Unterhaltungsebene) mit dem Thema auseinander (v.a. YouTube) und verfügte auch über einiges Grundlagenwissen. Im Sommer 2017 fand ich dann zufällig eine Lasius niger Königin im Garten, fing sie spontan ein und stürzte mich völlig ungeplant (aber keinesfalls planlos) Hals über Kopf in die Ameisenzucht. Auch damals fand ich schon hier im Forum Antworten auf meine Fragen :smiling_face:


    Einige Monate später stand der Auszug aus dem Elternhaus in eine gemeinsame Wohnung mit meiner Freundin an und ich war mir unsicher, wie es mit meiner (Gründer-)Kolonie weitergehen sollte. Ich war in der glücklichen Situation, dass meine Freundin grundsätzlich am Thema interessiert war, jedoch hatte sie Bedenken, was potentielle Ausbrüche der Kolonie betraf. Ich wusste, dass gerade Lasius niger ein schnelles Wachstum aufweist und die Kolonie bereits nach einigen Jahren mehrere Hundert oder gar Tausend Tiere stark sein kann und hatte selber Bedenken, dass mir die Kolonie "schnell über den Kopf wachsen könnte". Da ich die Entscheidung nicht nur für mich treffen würde und Ausbrüche nicht nur mich betreffen würden, entschied ich schweren Herzens, dass es wohl das beste war, die Kolonie frei zu lassen.


    Jetzt bin ich wieder auf das Hobby gestoßen und will mich noch einmal damit auseinandersetzen und vielleicht einen zweiten Anlauf starten. Ich fand Lasius niger sehr toll und würde eigentlich gerne dabei bleiben, habe aber nach wie vor Bedenken, dass die Art aufgrund ihres schnellen Wachstums, der geringen Größe der Tiere und dem doch "aggressiven" Verhalten eventuell nicht für mich geeignet sein könnte.

    Ich habe mich daher zu großen Arten informiert, die es ggf. schwerer haben, auszubrechen als kleinere Arten. Hierbei habe ich Camponotus ligniperdus ins Auge gefasst. Leider habe ich gelesen, dass diese Art trotzdem Ausmaße von mehreren tausend Tieren erreicht.

    Außerdem habe ich mich zu Arten informiert, die eine gewisse Koloniegröße nicht überschreiten und mit wenigen Hundert Tieren durchaus überschaubar bleiben. Für mich hatte es den Anschein, als seinen diese Arten meistens sehr klein und ausbruchsfähiger. (und/oder exotisch).


    Bitte schreibt mir, was ihr darüber denkt. Ich bin über alle Meinungen zum Thema dankbar!

    Grüße!

  • Hi Projekt:Ameise,


    schön, dass du wieder hergefunden hast. Willkommen zurück! :winken:


    Tatsächlich muss ich das ein wenig relativieren, sehe aber dein Problem. Solche großen Arten wie Camponotus ligniperda brauchen viele Jahre, um auf die Größe von mehreren Tausend Arbeiterinnen anzuwachsen. Bei der Gründung landest du meist bei unter 10 Tieren, dann in der ersten Saison vielleicht mal bei um die 50. In der zweiten der dritten Saison kann man dann schon in die hunderte kommen, wenn es wirklich gut läuft. Viele Halter haben mit Camponotus ligniperda und auch Camponotus herculeanus allerdings nach wenigen Jahren massive Probleme bekommen. Man liest hier immer wieder von Rhythmusstörungen bzgl. der Winterruhe. Die Ameisen entscheiden das selbsttätig (endogener Rhythmus) und das nach mehreren Jahren in der Haltung oft zu äußerst merkwürdigen Zeitpunkten (Start in die Winterruhe mitten im Hochsommer, Beendigung der WR im Winter usw.) - keine Arten, die ich, so schön sie auch sind, gerne empfehle, weil ich es selbst auch schon oft genug erlebt habe und die Kolonien dadurch auch geschädigt werden.


    In der Haltung erreichen wir ganz allgemin gesprochen oft auch nur die im Vergleich zur freien Natur eher niedrigen Volkszahlen - kaum ein Halter wird Kolonien mit Millionen Individuen haben, wenn die Art dies in freier Natur aufweist. Man kann das auch mit einer proteinarmen Ernährung steuern - denn die adulten Tiere sind bei den meisten Arten darauf kaum angewiesen, nehmen hauptsächlich Kohlenhydrate zu sich. Bei wenig Proteingabe wird die Eiablage massiv heruntergefahren und das Brutwachstum gehemmt.


    Auf anderer Seite können Ameisenköniginnen unglaublich alt werden und insofern - mit genug Zeit und in guter Haltung, im Optimalfall, können natürlich auch solche Arten unheimlich große Kolonien ausbilden, wenn man sie eben auch durchgehend optimal mit Nährstoffen versorgt, die Temperatur usw. passt.



    Glücklicherweise gibt es auch Arten, die groß sind (folgende Angaben beziehen sich auf die Arbeiterinnen) und nur kleine Kolonien ausbilden. Schau dir doch gern mal Camponotus fallax (ca. 4-9 mm;) an, da landest du so um die 100-250 Arbeiterinnen und die Art ist sehr zurückhaltend, wenig aggressiv. Die nicht einheimische Aphaenogaster senilis (ca. 5,5 - 7 mm) bildet zwischen 100-1000 Tiere, ist allerdings sehr aggressiv. Formica fusca (ca. 4 - 8 mm) zwischen 500 und 2000 Individuen, auch eher defensiv, wenn man sie nicht direkt im Nest stört. Die Brut kann man theoretisch bei Überschuss auch entnehmen, um damit Raptiformica sanguinea zu versorgen, das nur nebenbei. Ebenfalls nicht einheimisch wären Neoponera apicalis (früher Pachycondyla apicalis), die maximal 500 Individuen, eher deutlich weniger erreichen und ganze 2 cm groß sind. Hier vielleicht besondere Vorsicht, da es einige Halter gab, die auf die Stiche allergisch reagiert haben. Habe einen persönlich kennengelernt, der einen schweren anaphylaktischen Schick erlitten hat. Harpegnathos venator und Harpegnathos saltator werden ebenfalls nur wenige hundert Arbeiterinnen stark und um die 1,5 cm groß, sind aber schwer zu bekommen und auch nicht einfach in der Haltung.


    Das sind schon andere Zahlen, als Lasius niger (ca. 3 - 5mm) mit ca. um die 40.000-50.000 (wobei das wirklich eher unwahrscheinlich ist in der Haltung, wie gesagt). Die einheimischen Temnothorax und Leptothorax werden nur wenige dutzend Arbeiterinnen stark - sind leider aber mit 2-3 mm auch sehr klein, daher nur am Rande erwähnt.


    Nur ein paar Arten, die mir spontan einfallen, wobei eben nicht alle gleichermaßen einfach zu halten sind, im Gegenteil. Wenn du Lasius niger mochtest, schau dir doch gern mal Formica fusca an. Die sind eine Hausnummer größer, recht wenig aggressiv und eben bei weitem nicht so volksstark. Zudem einheimisch, was dir lieber zu sein scheint (las sich jedenfalls so).


    Hoffe das gibt dir ein bisschen Input. Wir unterstützen dich natürlich gern bei allen weiteren Fragen.

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  • Hallo und Herzlich Willkommen im Forum.


    Eines musst du dir klar sein, die Saison ist jetzt eigentlich schon gelaufen, außer du würdest dir eine sehr Exotische Art holen. Von dem würde ich dir aber abraten, um Wärme und Feuchtigkeit im griff zu haben, braucht es viel Erfahrung und dann ist es auf Dauer nicht so einfach.


    Ja Lasius niger kann mit den Jahren schon eine Herausforderung werden, was den Ausbruchsschutz angeht, Mir würde auch keine andere Lasius Art einfallen, die nicht auch sehr groß wird. Wenn es eher kleinere Arbeiterinnen sein sollen, dann vielleicht eine aus der Serviformica Gruppe. Aber die muss man mögen. Sind oft sehr hektisch. Von noch kleineren Arten würde ich wieder abraten, da die oft in der Natur sehr extremen Klimaschwankungen ausgeliefert sind und diese vermutlich auch in der Haltung benötigen.


    Ob eine Art mit größeren Arbeiterinnen immer weniger ausbruchsfreudig ist, würde ich so nicht sagen.


    Camponotus ligniperda (füher Camponotus ligniperdus bezeichnet) wird halt auch wie du geschrieben hast sehr Volksstark. Zu dem ist ihre Entwicklung am Anfang sehr langsam. Die ersten zwei Jahre sind sie kaum zu sehen und wann dann meistens Abends oder in der Nacht. Dies gilt für viele Camponotus Arten. Ich würde, wenn ich neu Anfangen würde, keine Camponotus Kolonie kaufen, die nicht mindestens 10 Arbeiterinnen hat. Auch sonst wenn man per Paket eine Kolonie bestellt, immer besser eine etwas größere Kolonie zu kaufen, eine Königin kann dadurch immer mal schnell aus dem Tritt kommen. Dann frisst sie ihre eigene Brut, die ersten Arbeiterinnen sterben und das Drama nimmt seine lauf.


    Camponotus ligniperda ist aber wenn die Kolonie etwas größer ist, eine super zu haltende Art, ich würde meine nicht mehr hergeben. Wenn du lieber eine Kolonie mit weniger Arbeiterinnen haben möchtest, würden Südeuropäische oder Nordafrikanische aber auch Asiatische Camponotus Arten in frage kommen. Da gibt es Arten die nicht so Volksstark werden. Diese halten auch keine, oder nur verminderte Winterruhe. Ein kleine Absenkung der Temperaturen würde ich aber bei fast jeder Art machen. (Wier sprechen jetzt nicht von den ganz Exotischen) Da ich finde das die Kolonie einen gewissen Jahresrhythmus braucht. Und hier ist meist das Problem. Viele Händler wissen nicht mal woher ihre Kolonien genau stammen. Sondern kaufen diese in großen Mengen auf. Für den Halter wird es dann schwierig die gleichen Parameter nachzubilden, wie es diese Art dann brauchen würde, Weil er sie nicht kennt. Aber so grob kann man natürlich da einiges von der Verbreitung der Art herleiten.


    So weit, ein paar Gedanken von mir.




  • Ich oute mich mal wieder als Myrmica Fan :winking_face_with_tongue: Und zwar kommt mir Myrmica ruginodis in den Sinn. Ich hab lange Myrmica rubra gehalten und denke die meisten Eigenschaften sind übertragbar:

    Sie sind nicht ganz klein, also gut zu beobachten. Trotzdem sind sie eher gemütlich unterwegs, brauchen also nicht so viel Auslauf wie z.B. schnelle Formicas. Ich hatte auch nie Probleme mit Ausbrüchen, obwohl ich eher weniger füttere. Meinen Seifert hab ich gerade nicht zur Hand, aber laut Wikis und Shops werden es max. mehrere Tausend. Das hab ich im Wald aber noch NIE gesehen, ein paar Hundert vielleicht ... Und selbst Tausend Myrmicas brauchen wahrscheinlich weniger Platz als 200 Camponotus ligniperda.

    Ein Nachteil ist u.U. die Nestart. Gips ist nach meiner Erfahrung nur schwer dauerhaft ausreichend feucht zu halten (ohne Schaden zu nehmen). Deshalb gibt's bei mir Erde. Andere Nester hab ich für Myrmica nicht probiert.

    Mein (völlig subjektiver) Tipp also: nächstes Jahr Myrmica ruginodis :winking_face:

  • Vielen Dank für eure Anregungen :smiling_face: Da waren wirklich ein paar spannende Arten dabei.

    Formica fusca, Myrmica ruginodis und Camponotus fallax sind meine Highlight-Tipps gewesen.

    Formica fusca finde ich als Alternative zu Lasius niger wirklich super, danke für den Tipp. Myrmica ruginodis wäre bei monogyner Haltung interessant, wenn man sich nicht zu lange binden will, da die Gynen ja nur "kurz" leben, im Vergleich zu anderen Arten. , Mein Favourit ist im Moment Camponotus fallax. Die wirklich überschaubare Koloniegröße finde ich bisher unschlagbar. (Wobei diese Art ja auch endogen ist.)

  • Ja, das stimmt, Camponotus fallax ist endogen. Hatte in einer Liste im AmeisenWiki geschaut, da stand das nicht, aber die ist wohl auch alles andere als vollständig. Es muss ja auch nicht dazu kommen - ich selbst hab einige schlechte Erfahrungen gemacht, die mich sehr frustriert haben, aber fink2 z.B. ist ja hochzufrieden. Ergo... wenn dich die Art reizt, dann probier es doch einfach :smiling_face:

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